16.05.2018

Neue Wege zu befriedigender Arbeit:

proviel hat viele soziale Innovationen geschaffen. Mit viel Fantasie entwickelt das Unternehmen Jobs für psychisch kranke Menschen. Anlässlich der Sonderveröffentlichung „Starke Partner“ in der Westdeutschen Zeitung Ende April 2018 besuchte uns die frei Journalistin Tanja Heil und lernte so unser Unternehmen ausführlicher kennen. Hier ihre sehr gelungene Zusammenfassung zu unserer täglichen Arbeit:

Psychische Erkrankungen haben in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland deutlich zugenommen. Die Zahl von Menschen, die sich in eine stationäre Behandlung begeben haben, stieg stetig auf 1,2 Millionen Kranke im Jahr 2016. Bei Angestellten zwischen 45 und 49 Jahren war bei DAK-Versicherten bei 18 Prozent aller Fehltage eine psychische Erkrankung der Grund. Viele Betroffene haben schlechte Erfahrungen mit Kollegen und Chefs gemacht, sich bei ihrer Arbeit unwohl gefühlt, ziehen sich zurück. Es braucht viel Geduld, um sie wieder an einen regelmäßigen Tagesablauf und ein Erwerbsleben heranzuführen. In Wuppertal widmet sich seit vielen Jahren proviel erfolgreich dieser Aufgabe.

Die gemeinnützige GmbH arbeitet seit 1994 mit und für Menschen mit einer psychischen Behinderung, denen ein Arzt bescheinigt hat, dass sie wegen ihrer psychischen Erkrankung weniger als drei Stunden am Tag arbeiten können. Neben proviel gibt es unter dem Dach des forum e.V. auch noch Train2be – eine Trainings- und Qualifizierungsmaßnahme im Auftrag des Jobcenter Wuppertal  und es gibt einen Bereich für Ambulant Betreutes Wohnen. „Insgesamt haben 1200 Menschen ihre berufliche Heimat bei uns“, sagt proviel-Geschäftsführer Christoph Nieder. Er entwickelt mit dem Team immer wieder neue Ideen, wie man den von proviel begleiteten Menschen neue Wege ins Berufsleben ebnen kann.

Den Fachkräften von proviel geht es um eine wertschätzende Förderung. „Deshalb suchen wir möglichst viele verschiedene Arbeiten – wir organisieren immer die passende Arbeit für den jeweiligen Menschen, nicht umgekehrt“, erklärt Nieder. „Wir brauchen so viel Bandbreite wie möglich, damit jeder gemäß seiner Stärken und Wünsche Beschäftigung findet. Jeder soll am Ende des Tages stolz auf seine Tätigkeit sein.“

Diese Tätigkeiten sind bei proviel sehr unterschiedlich. Sie reichen von einfachen Sortier- oder Verpackungsarbeiten bis zu komplexen Lötarbeiten oder Verwaltungsaufgaben. Am Anfang steht ein individuelles Beratungsgespräch, in dem Interessen, Vorlieben und Fähigkeiten des Interessenten besprochen werden. Danach bietet proviel unterschiedliche Kurse und Möglichkeiten an. Hier setzen sich die Teilnehmer mit ihren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten auseinander. So sollen sie eine realistische berufliche Perspektive entwickeln.

Schon intern haben die Menschen bei proviel viele verschiedene Möglichkeiten, tätig zu werden. In der Großküche wird jeden Tag Mittagessen frisch gekocht und angerichtet. Für die Instandhaltung der weitläufigen Gebäude sind viele helfende Hände nötig. In der Verwaltung laufen die Fäden zusammen, auch hier sind unterschiedliche Kompetenzen gefragt. Im Lager und in den Produktionsabteilungen gibt es viele verschiedene Tätigkeiten. Damit das so bleibt, arbeitet proviel mit verschiedenen regionalen Firmen zusammen. Seit vielen Jahren schrauben die proviel-Mitarbeiter z.B. die Puky-Roller zusammen. Doch sie sägen auch Türbeschläge für Ogro, lasern Schriftzüge auf Metall für Fröhlich & Dörken oder montiert für Emka Beschläge. Die Verpackung von kleinen und größeren Teilen gehört ebenfalls zu einer Spezialität des großen Teams. Eine genaue Qualitätskontrolle sorgt dafür, dass jedes einzelne Teil die hohen Anforderungen der Kunden erfüllt.

Doch die proviel-Mannschaft ist immer auf der Suche nach neuen Einsatzmöglichkeiten für ihre Mitarbeiter. Ein ganz neues Feld eröffnete vor gut einem Jahr der CAP Markt in Katernberg in Eigenregie von proviel. Dort räumen die proviel-Mitarbeiter jetzt die Regale ein, beraten die Kunden und sitzen an der Kasse. Seit November betreibt proviel auch das Schulbistro des Gymnasiums Sedanstraße. Acht Mitarbeiter belegen dort Brötchen, servieren Mittagessen und verkaufen Müsli-Riegel. „Das soll eine teilautonome Arbeitsgruppe werden“, erklärt Nieder. Die Mitarbeiter/-innen dort haben inzwischen viel Selbstbewusstsein entwickelt und managen den täglichen Ablauf schon weitgehend selbständig.

Neben den hauseigenen gibt es auch rund 100 Außenarbeitsplätze in Unternehmen. Die proviel-Kollegen stehen bei Ikea an der Papp-Presse und falten die gelben Tüten, bedienen die Kunden im Zoo-Restaurant Okavango oder helfen im Junior-Zoo. Mit proviel-mobil kommen sie auch kurzfristig im Team in Betriebe: So haben etwa acht Leute einen langen Flur in der Jugendherberge mit Wuppertal-Motiven bemalt oder eine Gruppe bei der BeWo Blumen gepflanzt. Wer auf diese Weise einmal einige Tage in einer Firma bzw. an einem anderen Ort verbracht hat, bekommt mehr Mut, dort vielleicht ein Praktikum zu absolvieren.

proviel bereitet die Mitarbeiter/-innen auf solche Arbeitseinsätze intensiv vor. Das Team Inklusion führt ausführliche Gespräche mit allen Seiten. „Wir erarbeiten anhand der Anforderungen auf dem Arbeitsplatz individuelle Arbeitsplatzprofile“, erklärt Yesim Fischer, Abteilungsleiterin Inklusion. Sie erfragt bei jedem Interessenten, was der zukünftige Arbeitnehmer dort genau machen soll, horcht auf den Umgangston, klopft mögliche Fallstricke ab. Dazu passend wird dann ein geeigneter Mitarbeiter gesucht. Wer schnell eine Lücke in seinem Betrieb füllen will, ist bei proviel falsch. Hier brauchen die Menschen eine ausführliche Einarbeitung. Dafür bieten sie eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen und große Zuverlässigkeit. Zur Sicherheit garantiert ihnen proviel ein lebenslanges Rückkehrrecht in die Werkstatt.

Bei Problemen sind die Job-Coaches schnell zur Stelle. Selbst Menschen mit schweren Erkrankungen haben so schon einen neuen Arbeitsplatz auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden und werden von ihren Arbeitgebern hoch geschätzt. Aber es braucht viel Phantasie und eine gute Vorbereitung, damit passende Arbeitsplätze und Menschen zusammenfinden. „Die wenigsten Mitarbeiter gehen in die Berufe zurück, aus denen sie gekommen sind“, sagt Nieder und hofft auf noch mehr Offenheit bei Firmenchefs für neue Jobbeschreibungen.

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