25.06.2020

„Die Gespräche mit den Kollegen fehlten mir“

Betretungsverbot, Notgruppe, eingeschränkter Regelbetrieb – Coronageschichte(n) aus dem Hause proviel

Marianne Lang hat die Zeit des Lockdowns sinnvoll genutzt: Sie hat die Wohnung auf Vordermann gebracht und die Schränke ausgemistet. Sie hat jede Menge Glückwunschkarten gebastelt, für die Arbeitskollegen beispielsweise. Doch die Arbeit bei proviel und die Menschen dort fehlten ihr. „Ich habe viel mit Arbeitskollegen telefoniert – aber das ist kein Ersatz.“ Seit 18 Jahren arbeitet die 63-Jährige bei proviel, wo auch ihre Schwester und Nichte tätig sind. Je länger die gewohnte Arbeit und der Kontakt in der Werkstatt wegfielen, desto schwieriger empfand sie die Situation. „Der letzte Monat war der Horror – ich habe so schlecht geschlafen“, erzählt sie. Nachts sei ihr immer ihr toter Ehemann erschienen. „Noch länger hätte ich das nicht ausgehalten. Ich habe panische Angst vor Einsamkeit.“

Hinzu kam, dass sie vor dem Lockdown drei Wochen lang krank war. Dadurch verlängerte sich die Zeit zu Hause auf drei Monate. In den ersten Wochen ging Marianne Lang gar nicht auf die Straße. „Ich bin immer schon viel erkältet“, sieht sie sich durch Viren grundsätzlich gefährdet. Ein überwundener Schlaganfall und Asthma erhöhen das Risiko. Ihre Tochter und Enkel, mit denen sie im Haus wohnt, kauften für sie ein. Glücklicherweise gehört zur Wohnung auch ein kleiner Garten, in dem sie die Sonne genoss.

Als die Situation sich Mitte Mai entspannte, gönnte sich Marianne Lang einen Spaziergang in die Stadt. „Da bin ich vom Loh nach Elberfeld gelaufen – man merkt das sofort in den Knien, wenn man lange nichts macht.“ Sie freute sich, mal wieder in Schaufenster zu gucken und Menschen auf der Straße zu sehen. Zu Beginn des Lockdowns nahm sie etwas zu, „wegen der vielen Süßigkeiten“. Dann schaffte es Marianne Lang, die vorher durch „Umdenken im Kopf“ 60 Kilo abgenommen hatte, wieder zu ihrem Wunschgewicht zurückzukehren, wie sie stolz berichtet.

Gegen Ende des Lockdowns war sie allerdings wieder deutlich eingeschränkt, weil sie sich an der Hand operieren lassen musste. Danach mussten immer die Töchter oder Enkel für sie spülen. Glücklicherweise hat Marianne Lang ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Familie. Sie boxt und balgt sich mit ihren erwachsenen Enkeln, geht mit ihrer Zwillingsschwester shoppen, kocht gemeinsam mit den Töchtern. Auch in den Urlaub fährt sie mit Tochter und Enkeln. Eigentlich war für dieses Jahr Polen geplant – stattdessen geht es jetzt ein Wochenende nach Bayern und anschließend nach Holland an die See.

Jede Woche hat Marianne Lang während der Zeit zu Hause den Sozialdienst angerufen. „Ich musste die Stimme hören, das war für mich beruhigend.“ Jetzt freut sie sich sehr, wieder im Industrieservice zu arbeiten. „Ich habe erst einmal alle begrüßt – das tat uns so gut, ich fühle mich ganz anders.“ Sie genießt das Gefühl, wieder eine Aufgabe zu haben, die Gespräche mit den Kollegen. Nur der Unterricht im Lesen und Schreiben liegt zu ihrem Bedauern noch etwas auf Eis.

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