09.05.2025

Mit Teilqualifizierungen zum Berufsabschluss

proviel bietet mit der IHK Ausbildungsabschlüsse in „Teil“-Schritten an.

Die Menschen stärken und weiterbilden, individuell entsprechend den Möglichkeiten und Wünschen – das steht im Zentrum der Arbeit bei proviel, der Werkstatt für Menschen mit psychischer Behinderung in Wuppertal. Gemeinsam mit der IHK wurde deshalb bis jetzt in drei Berufsfeldern die Möglichkeit geschaffen, über Teilqualifizierungen (TQ) einen anerkannten Ausbildungsabschluss zu erlangen.

Seit der Gründung von proviel 1994 haben wir uns stetig weiterentwickelt. Ein multiprofessionelles Team sorgt heute dafür, dass rund 750 Werkstattmitarbeitende vielfältigste Perspektiven haben. Qualität steht dabei für uns im Fokus: Regelmäßige Befragungen der Mitarbeitenden evaluieren den Erfolg aller Kurse und Maßnahmen. Stetig steuern wir nach und eröffnen neue Entwicklungsmöglichkeiten. 

Vielseitige Maßnahmen unterstützen dabei, die individuellen Berufswegemöglichkeiten zu verbessern und auch den Weg in Richtung allgemeinen Arbeitsmarkt zu ebnen. Der Erwerb berufsfachlicher Fähigkeiten ist ein wichtiger Faktor. In diesem Kontext hat proviel in Zusammenarbeit mit der Bergischen IHK die Möglichkeit geschaffen, im Rahmen der Werkstatt berufliche Kompetenzen in Teilqualifizierungen mit Zertifikaten zu erwerben. Aktuell ist dies in drei Bereichen möglich:  Lager/Logistik, Metalltechnik, Lebensmitteleinzelhandel. 

Mit der schrittweisen Absolvierung aller (Teil-) Bausteine eines Ausbildungsberufes ist am Ende dieser Wegstrecke ein Ausbildungsabschluss bei der Kammer möglich. Während die regulären Ausbildungen zwei bis drei Jahre dauern, wird der Stoff bei proviel in von der IHK vorstrukturierten Teilblöcken aufgeteilt. In der Regel sind das vier bis fünf. Jedes Modul dauert bei proviel etwa ein Jahr. Ein TQ-Baustein wird immer mit einer Kompetenzfeststellung abgeschlossen. Verläuft diese erfolgreich, erhalten die Teilnehmenden ein entsprechendes Zertifikat. Wer Interesse hat, kann in die TQ-Module einsteigen. Niemand muss dabei alle Blöcke absolvieren. Es ist möglich, zwischen den Teilmodulen zu pausieren und zu einem späteren Zeitpunkt wieder einzusteigen. Es ist zudem möglich, Bausteine zu wiederholen, wenn es nicht funktioniert hat.

Das Spektrum der Teilnehmenden ist sehr heterogen: jung und alt, mit und ohne Berufserfahrung, unterschiedlichste Biografien, Fähigkeiten und psychische Erkrankungen. „Wir begleiten die Menschen bei der Lösung von belastenden Situationen über den Arbeitsalltag hinaus, um zu einer gelingenden Lernsituation beizutragen. Gegebenenfalls empfehlen wir zur Unterstützung Kurse aus unserem Programm, etwa Stressbewältigung, Achtsamkeitstraining oder Gruppentraining sozialer Kompetenzen“, erklärt Ulrich Rehwald, Fachbereichsleiter Begleitende Dienste.

Die IHK-Zertifikate motivieren
Uns war es wichtig, mit dieser Zusammenarbeit mit der IHK die hohe Motivation unserer Mitarbeitenden und ihre fachliche Qualität zu zeigen. Gleichzeitig motiviert es die Teilnehmenden enorm, wenn ihnen die IHK-Prüfer ihr Können bestätigen. Wer alle Module geschafft hat, darf an der regulären Abschlussprüfung der IHK teilnehmen. „Schon in der Reha stellen wir fest, dass die Teilnehmenden ein großes Interesse an diesen zertifizierten Qualifizierungsmöglichkeiten haben und dadurch die Maßnahme zielgerichteter durchlaufen“, sagt Anja Kranenberg, Abteilungsleiterin der Berufsbildung.

Jedes Modul der Teilqualifizierung widmet sich einem Themenbereich. Das theoretische Wissen wird in wöchentlichem Unterricht vermittelt. „Wir stellen uns dabei auf jeden Menschen und seine Lernfähigkeit ein“, betont Joachim Lindner, Abteilungsleiter Metall. Erklärt wird so lange, bis das Thema verstanden ist. Das praktische Wissen wird während der Arbeit durch gezielte Aufgaben und entsprechende Anleitung vermittelt. 

Ausbildung ohne Druck
Die meisten Teilnehmenden haben vorher in anderen Bereichen gearbeitet und sich bei proviel neu orientiert. Trotzdem spielen ihre Erfahrungen aus dem Arbeitsleben häufig hinein: „Leider sind die gemachten Erfahrungen mit Druck, Stress und Ängsten verknüpft. Wir versuchen diese Knoten zu lösen und den Mitarbeitenden zu zeigen, dass es auch anders geht“, sagt Joachim Lindner. Ganz gezielt achten alle Fachkräfte darauf, eine freundliche und wertschätzende Atmosphäre zu schaffen. „Der geschützte Rahmen und die intensive Begleitung sind besonders wichtig. Fehler sind bei uns erlaubt – das nimmt Angst und baut Vertrauen auf“, erklärt Marion Radtke, Marktleiterin des CAP-Marktes. 

Wenn die Fachkräfte und Teilnehmenden den Eindruck haben, dass alle dafür bereit sind, folgt die Kompetenzfeststellung für das jeweilige Modul. Dafür kommt ein Prüfer der IHK mit zwei weiteren Verantwortlichen zu uns ins Haus. „Die Zusammenarbeit mit der IHK ist ausgesprochen positiv. Man spürt den Wunsch, es allen Menschen, ungeachtet ihrer Einschränkungen zu ermöglichen, die Kompetenzfeststellungen zu absolvieren“, freut sich Giuseppe Di Prima, Abteilungsleiter Lagerlogistik. Schon im Vorfeld stellt sich das Prüferteam den provielern vor, beschreibt den Ablauf und beantwortet Fragen. So sollen eventuelle Prüfungsängste gemindert werden. Halten die Menschen dann ihr feierlich verliehenes Zertifikat in Händen, so ist ihnen der Stolz anzusehen. „Die sichtbaren Erfolgserlebnisse der TQ stärken das Selbstvertrauen der Menschen. Viele erleben damit erstmals beruflichen Erfolg – das verändert ihr Selbstbild und ihre Lebensperspektiven“, so Sophie Blass, Leiterin der Sozialen Dienste.

Erste Abschlussprüfungen
Von den 58 Werkstattmitarbeitenden bei proviel, die seit 2016 bisher in 114 Modulen an den Teilqualifizierungen teilnahmen, haben 2025 die ersten alle Module geschafft und dürfen nun zur regulären Abschlussprüfung bei der IHK – gemeinsam mit anderen Azubis der Fachrichtung – antreten. So haben fünf Verkäufer*innen im Einzelhandel des proviel CAP–Marktes aktuell ihre theoretische Prüfung absolviert. Die Ergebnisse stehen noch nicht fest, aber alle haben die Prüfungsblöcke gut hinter sich gebracht. Ende des Jahres treten auch erste provieler zur Abschlussprüfung zum Fachlagerist/-in an. Die Teilqualifizierungsmodule zur Fachkraft für Metalltechnik haben mit Baustein 1 im vergangenen Herbst begonnen. 

„Mir bedeutet das sehr viel – ich möchte in meinem Leben unbedingt eine Ausbildung machen“, sagt CAP-Mitarbeiterin Kristina Axtmann. Als Mutter von drei Kindern hatte sie nicht mehr mit einer solchen Chance gerechnet und lernt nun eifrig, um sie zu nutzen. „Ich bin froh, dass ich in dem Modul meinen Horizont erweitern kann“, sagt Sven Grahe, der die Module zum Fachlagerist macht. 

In den Reflexionen mit den Teilnehmenden der TQ lässt sich zusammenfassen, dass die Etappenziele Struktur, Orientierung und realistische Perspektiven geben, die Teilnehmende sich als aktiv, fähig und wirksam erleben und die kleinen Gruppen soziale Bindung und gegenseitige Unterstützung fördern. 

Wer möchte, kann sich jederzeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erproben. Unser Inklusionsdienst unterhält hierzu enge Kontakte mit vielen Unternehmen. Das alles erfolgt jedoch freiwillig: „Alles kann, nichts muss“, betont Ulrich Rehwald. Doch immer stärkt die Qualifizierung sowohl die Fähigkeiten als auch das Selbstvertrauen der Menschen.

Cookies / Datenschutz
X
Wir respektieren Ihre Privatsphäre
Diese Webseite verwendet Cookies. Weitere Informationen zu den eingesetzten Cookies erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung. Mit einem Klick auf die Schaltfläche „Alle Akzeptieren“ stimmen Sie dem Einsatz all dieser Cookies zu. Über die Schaltfläche „Ausgewählte akzeptieren“ willigen Sie nur in den Einsatz der Cookies zu den von Ihnen ausgewählten Zwecken ein.
Ihre Auswahl: